Verkehrsunfallrecht

Allgemeines

Die Folgen eines Verkehrsunfalls sind meist ein erhöhter Sachschaden, aber auch Personenschäden. Das Auto ist in der Regel ein teurer Gebrauchsgegenstand und nicht jeder Verkehrsteilnehmer ist vollkaskoversichert, so dass der Ersatz des eigenen Schadens oftmals Probleme bereitet. Es ist daher notwendig, genau zu überprüfen, wer das Verschulden an dem Unfall trägt.

Dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls stehen in der Regel Ansprüche auf Ersatz der durch den Unfall entstandenen Schäden gegen den Unfallverursacher bzw. dessen Versicherung zu. War der Unfall unabwendbar, also auch bei Beachtung der größtmöglichen Sorgfalt nicht zu vermeiden, kann der Ersatz des Schadens zu 100 % verlangt werden. Ansonsten ist die Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeugs oder ein Mitverschulden zu beachten und es kann dann nur ein Teil der Ansprüche entsprechend des Verschuldensanteils vom Unfallgegnerersetzt verlangt werden.

Grundsätzlich ist der Geschädigte so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten. Da häufig gerade gegnerische Versicherungsgesellschaften versuchen, die Verschuldensquote des eigenen Versicherten zu drücken, um möglichst wenig zahlen zu müssen, empfiehlt sich die Einschaltung eines versierten Rechtsanwalts, um einen umfassenden und angemessenen Ersatz des eigenen Schadens zu erreichen. Dies gilt umso mehr bei Unfällen mit Personenschäden und bei unklaren Verschuldensquoten.

Häufig zahlt sich Anwaltsrat dreifach aus:

  1. seine Gebühren sind im Regelfall von der Gegenseite zu tragen (beim unverschuldeten Unfall) oder werden von Ihrer Rechtsschutzversicherung übernommen
  2. er nimmt Ihnen die Last des Schriftverkehrs mit der gegnerischen Versicherung ab
  3. er fordert bei der Gegenseite das Möglichste für Sie ein

Tipp: Bei einem möglichen Mitverschulden sollte gegenüber der Polizei ohne Rücksprache mit einem Anwalt keine Erklärung abgegeben werden. Zudem sollte es unterlassen werden, am Unfallort irgendwelche schriftlichen Erklärungen gegenüber dem am Unfall beteiligten Verkehrsteilnehmer abzugeben.  

Folgende Schadenersatzansprüche können bei einem Verkehrsunfall dem Geschädigten zustehen:

Sachschäden

An zu ersetzenden Sachschäden kann wahlweise die Übernahme der Reparaturkosten in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten, oder wenn an Stelle der Reparatur der Schadenersatz in Geld verlangt wird, der Netto-Betrag (ohne Mehrwertsteuer) verlangt werden, den die Reparatur in einer Werkstatt gekostet hätte (= fiktive Abrechnung). Die fiktiven Reparaturkosten werden durch Sachverständigengutachten ermittelt.

Im Rahmen einer Schadensminderungspflicht, die jeder hat, der sich auf den Ersatz von Schäden beruft, sind die Kosten der Reparatur (Wiederherstellung der beschädigten Sache) möglichst gering zu halten.

Im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens, wenn wegen der Schwere des Unfalls keine ordnungsgemäße Reparatur mehr möglich ist, oder wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert des Kfz rund 30%übersteigen, wird ersetzt:

Wiederbeschaffungswert – Restwert

In diesem Fall sind folglich die Reparaturkosten auf 130% des Wiederbeschaffungswerts beschränkt.

Wertminderung des Kfz / Merkantiler Minderwert

War das Fahrzeug neuwertig, also nicht älter als 4 Jahre und nicht mehr als 100.000 km Fahrleistung, kann – sofern nicht lediglich ein Bagatellschaden vorliegt – neben den Reparaturkosten der sog. merkantile Minderwert ersetzt verlangt werden. Dieser besteht in einem finanziellen Ausgleich der Differenz des Wertes des Kfz vor und nach der Reparatur, da ein verunfalltes Fahrzeug sich meist nur zu einem geringeren Preis veräußern lässt.

Neuwagen

Der Neuwagenpreis wird nur ersetzt, wenn das Fahrzeug nichtmehr als rund 1.000 km Fahrleistung aufweist. Gezahlt wird:

Der Kaufpreis – Nutzungsabschlag für die gefahrenen Kilometer – erzielter Verkaufspreis für den verunfallten Wagen

Sachschäden an anderen Gegenständen

Auch andere bei dem Verkehrsunfall beschädigte Gegenstände (z.B. Kleidung, Gepäckstücke, Brillen usw.) sind in Höhe des Zeitwertes ersatzfähig (Abzug „neu für alt“).

Standkosten / Finanzierungskosten / Entsorgung

Weiterhin können als Schadenspositionen die Stand- und Finanzierungskosten (Kreditkosten) geltend macht werden. Im Falle eines Totalschadens können auch der Wert der verlorenen Tankfüllung und die Kostender Entsorgung eingefordert werden.

Sachverständigenkosten/Gutachterkosten

Zur Beweissicherung und zur Feststellung von Schadensumfang, Schadenshöhe, Wertminderung, Wiederbeschaffungswert, Restwert und voraussichtliche Reparaturdauer kann ein vereidigter Sachverständiger selbst ausgesucht werden. Dies gilt auch dann, wenn die gegnerische Versicherung bereits einen Gutachter beauftragt hat. Auch die Kosten für das Gutachten hat die Haftpflichtversicherung des Schädigers grundsätzlich zu übernehmen. Sollte jedoch von vornherein erkennbar nur ein so genannter Bagatellschaden vorliegen (  i.d.R. Schadenshöhe nicht höher als ca. 700,00 €, je nach Gerichtsbezirk), reicht im Normalfall als Schadensnachweis eine Reparaturkalkulation einer Werkstatt aus, da die Kosten für ein Gutachten bei kleinen Bagatellschäden grundsätzlich nicht von der gegnerischen Haftpflichtversicherung übernommen werden.

Rechtsanwaltskosten

Diese sind, soweit berechtigt, von der gegnerischen Versicherung zu erstatten. Ist das Verschulden am Unfall streitig empfiehlt es sich, bei der eigenen Rechtsschutzversicherung eine Deckungsanfrage einzuholen.

Heilbehandlungskosten/Arztkosten

Die Heilbehandlungskosten (Arzt, Krankenhaus usw.) werden in der Regel von der eigenen Krankenversicherung getragen. Sofern dies nicht der Fall ist, können diese Kosten ebenfalls bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend gemacht werden.

Hier kommen in Betracht:

•        Eigenanteile für Zahnbehandlungskosten, Brillen

•        Krankentransportkosten, Fahrtkosten zu Ärzten und Krankenhäusern

•        Kuraufenthalte

•        kosmetische Narbenbehandlungen

Auslagenpauschale

Für die zur Schadensabwicklung entstandenen Kosten (Telefon, Fahrt zum Anwalt, usw.) kann eine Pauschale von 25,00 € verlangt werden. Höhere Kosten müssen nachgewiesen werden.

Mietwagen

Für die Dauer der Reparaturzeit steht dem Geschädigten bei entsprechendem Bedarf ein Anspruch auf einen Mietwagen zu. Gleiches gilt bei einem Totalschaden. Hier darf sich der Geschädigte für die Dauer der Wiederbeschaffungszeit einen Ersatzwagen mieten, wobei je nach Typ i.d.R. ein Zeitraum von 2 – 3 Wochen nicht überschritten werden sollte. Grundsätzlich darf nach einem unverschuldeten Unfall ein Wagen des gleichen Typs angemietet werden, allerdings muss sich der Geschädigte hier die sog. ersparten Eigenaufwendungen anrechnen lassen. Dabei handelt es um solche Kosten, die der Geschädigte ohne den Unfall hätte aufwenden müssen, z.B. Unterhalts- und Abnutzungskosten für seinen PKW. Tatsächlich führt dies in der Praxis dazu, dass die Versicherer i.d.R. nur die Kosten für einen Mietwagen unterhalb der Klasse des eigenen PKW vollständig erstatten. Da auch die Rechtsprechung diese Problematik nicht ganz einheitlich beurteilt, sollten Sie sich vor der Anmietung eines Ersatzwagens mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung in Verbindung setzen und sich erkundigen, welche Kosten tatsächlich übernommen werden. Dabei ist grundsätzlich zu beachten, dass die Kosten für einen Mietwagen nicht in allen Fällen übernommen werden. Dem Geschädigten obliegt im Falle eines Unfalls eine Schadensminderungspflicht. Dies bedeutet, dass der Geschädigte die Kosten für die Schadensregulierung nicht unnötig in die Höhetreiben darf. Benötigt ein Geschädigter bspw. den Mietwagen nur für wenige Kilometer Wegstrecke, dann kann die Versicherung die Erstattung der Mietwagenkosten verweigern, weil die Inanspruchnahme eines Taxis wesentlich billiger gewesen wäre.

Ferner muss darauf geachtet werden, dass der Mietwagentarif angemessen ist und es sich nicht um einen überzogenen Unfalltarif handelt. Es empfiehlt sich deshalb vor Anmietung Angebote von mehreren Mietwagenunternehmen einzuholen.

Nutzungsausfall

Derjenige, der auf einen Mietwagen verzichtet oder bei dem die Anmietung eines Mietwagen gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen würde, kann die Nutzungsausfallentschädigung geltend machen. Hier sollen die Kosten ersetzt werden, die durch den Ausfall des eigenen Fahrzeugs entstehen.

In der Praxis maßgebliches Werk zur Berechnung der Entschädigung ist die Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch, die für alle gängigen Fahrzeuge einen bestimmten Entschädigungsbetrag pro Tag festlegt.

Verdienstausfall

Ein Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Verdienstausfall, wenn aufgrund des Unfalls der beruflichen Tätigkeit nur eingeschränkt nachgegangen werden konnte. Dies gilt bei Arbeitnehmern regelmäßig ab der 7 Krankheitswoche, da in den ersten 6 Wochen der Arbeitgeber den Lohn weiterzahlt. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach dem letzten Lohn einschließlich Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Sonderzahlungen und Überstundenvergütungen. Erhalten Sie Krankengeld, so ist nur die Differenz zudem letzten Lohn zu erstatten.

Haushaltsführungsschaden

Selbständige können als Schaden den Wegfall eigenen Arbeitskraft geltend machen. Dieser kann in den geringeren Gewinnen oder den Kosten einer Ersatzkraft bemessen werden.

Ist ein Geschädigter durch unfallbedingte Verletzungen aus einem unschuldig erlittenen Unfall nicht in der Lage, zeitweise oder dauernd seinen Haushalt zu führen oder die von ihm vor dem Unfall übernommenen Haushaltstätigkeiten zu erbringen, so steht ihm ein eigener Schadensersatzanspruch zu, der sog. Haushaltsführungsschaden.

Schmerzensgeld

Das Schmerzensgeld ist ein Schadensersatz als Ausgleich für immaterielle Schäden, d. h. Schädennicht vermögensrechtlicher Art, zusätzlich mit einer Sühnefunktion. Neben Körperschäden sollen alle Unannehmlichkeiten, seelischen Belastungen und sonstigen Unwohlgefühle wiedergutgemacht werden, die mit einer erlittenen Verletzung am Körper einher gehen (z.B. Unfallneurose, Depression).

Die Höhe des Schmerzensgeldesrichtet sich nach dem Art und Umfang der eingetretenen Verletzungen, den erforderlichen Behandlungsmaßnahmen und den daraus resultierenden Schmerzen. Weiterhin ist für die Höhe des Schmerzensgeldes die Schwere der Schuld und die eigenen Verschuldensanteile entscheidend. Wird keine außergerichtliche Einigung über die Höhe des Schmerzensgeldes erzielt, bestimmt das Gericht gemäß § 287ZPO nach Ermessen je nach Art und Dauer der Verletzungen unter Berücksichtigung aller für die Höhemaßgeblichen Umstände.

Als ungefähre, jedoch nicht verbindliche Richtschnur für die Schmerzensgeldhöhe werden regelmäßig vorhandene Gerichtsentscheidungen mit ähnlichen Sachverhalten und Verletzungsbildern herangezogen. Derartige Urteile findet man in sogenannten Schmerzensgeldtabellen (Schmerzensgeldtabelle von Hacks/Ring/Böhm).

Dauerhafte Beeinträchtigung

Wird durch den Unfall eine Berufs- und Erwerbsunfähigkeit ausgelöst, kann eine lebenslange Rente geltend gemacht werden.

Bei vermehrten Bedürfnissen (z.B. Umbaukosten, Gehilfe, besondere Kleidung, Nachhilfekosten usw.) als Folge des Unfalls besteht u.U. auch ein Anspruch auf eine Geldrente. Bedarf es dauerhafter Pflege, besteht ein Anspruch auf Ausgleich der Pflegekosten. Die Kosten einer beruflichen Umschulung sind zu ersetzen, wenn sie zur Eingliederung in das Berufsleben als geeignet und wirtschaftlich vernünftig erscheinen.

Nachteile für das Fortkommen

Als Nachteile für das Fortkommen sind alle wirtschaftlichen Beeinträchtigungen der Arbeitskraft, als Resultat des Verkehrsunfalls, zuersetzen. Bei Kindern und Jugendlichen bestehen diese in dem verhinderten oder verspäteten Eintritt in das Berufsleben und den damit verbundenen Einkommensnachteilen (sog. verhinderter Erwerbsschaden). Bei bereits Erwerbstätigen bestehen diese in dem Fortkommensschaden, durch die Versagung des beruflichen Aufstiegs und/ oder geringerem Verdienst.

Schadensersatz bei einem Todesfall

Bei einem Todesfall als Folge eines Verkehrsunfalls, kann der Erbe die Schmerzensgeldansprüche des Verstorbenen geltend machen. Zudem sind die Kosten einer standesgemäßen Beerdigung des Verstorbenen zu erstatten (z.B.: Grabstelle einschließlich Erstbepflanzung, Überführungskosten, Grab, Trauerkarten und –anzeigen, Trauerfeier und Trauerkleidung der Erben).

War der durch den Unfall Getötete zum Unterhalt verpflichtet (z.B. gegenüber Ehepartnern oder Kindern), können die Unterhaltsberechtigten eine Geldrente in Höhe der Unterhaltsverpflichtung des Verstorbenen solange geltend machen, wie sie für den Verstorbenen bestanden hätte.

Schockschäden Angehöriger

Ein Schmerzensgeld für den Verlust naher Angehöriger (wenn etwa Eltern ihr Kind verlieren) kannte das deutsche Recht bisher nicht. Eine Ausnahme ist der so genannte „Schockschaden“, der vorliegt, wenn Angehörige bedingt durch die erlittene seelische Erschütterung selbst krankwerden. Dabei muss der Verlust der nahestehenden Person die körperliche oder seelische Verfassung nachweislich und spürbar beeinträchtigen. Angehörige eines Getöteten können einen Schmerzensgeldanspruch aus eigenem Recht also nur herleiten, wenn ihr Leid Schmerzen, lang anhaltenden Kummer oder Sorgen, Wesensänderungen oder eine deutliche Schmälerung der Lebensfreude nach sich zieht und dies nachweislich eine Unfallfolge ist.